Bäderarchitektur Blätterkatalog 2015
Bäderarchitektur 23 Bansin ist anders als die beiden Nachbar- bäder. Auch hier fallen mir die eleganten Villen und verzierten Häuser ins Auge. Wenn sie auch schlichter und weniger pompös sind. Die Bansi- ner Bergstraße ist beeindruckend. Ostseeblick gibt es hier sogar aus der zweiten Reihe. Denn wenn auch lückenlos erhalten, wurden die Häu- ser auf Lücke gebaut. Bansin erscheint mir fami- liärer, jünger, quirliger. Kein Wunder: Ist es doch das jüngste der drei Kaiserbäder. 1897 direkt als Seebad gegründet, wurden innerhalb von nur sie- ben Jahren zehn Hotels und Pensionen hinter der Düne gebaut. Tanzcafés lockten UFA-Stars wie Heinz Rühmann oder Willi Fritsch hierher. Das Leben in Bansin war ungezwungener – weniger formell, weniger traditionell als im prestigeträch- tigen Heringsdorf. Als erstes deutsches Seebad erhielt Bansin 1923 die „Freibade-Erlaubnis“. Von nun an durften die Badelaunigen direktemang vom Frühstückstisch der Pensionswirtin über die Promenade zum Strandkorb schlendern und sich im modischen Einteiler unbegrenzt von Badean- staltswänden in den Ostseewellen vergnügen. Was für eine Freiheit. Noch ein paar Jahre zuvor wurden die Herrschaften im Badekarren in die Ostsee gezogen. Über eine kleine Treppe stieg man im mehrlagigen Badekleid ins kühle Nass. Noch heute stehen links und rechts neben der Bansiner Konzertmuschel großberäderte Um- kleidewagen. Livemusik dringt an meine Ohren. Vermittelt Laissez-Faire. Entspanntes Nichtstun. Auf meinem Gang an den mit Holzornamenten verzierten Häusern vorbei, kommt es mir vor, als sei die Zeit stehen geblieben. Ich könne einfach um die Ecke gehen und ein kleiner Junge würde an mir vorüberwirbeln. Dicht gefolgt von seinen sechs Geschwistern. Dass dieser Junge später einmal einer der bedeutendsten Nachkriegs- literaten Deutschlands werden würde, war in diesen unbeschwerten Tagen in Bansin in der Villa Paula sicher nicht vorauszuahnen. Hans Werner Richter, der Begründer der „Gruppe 47“, zu der Heinrich Böll, Siegfried Lenz, Marcel Reich- Ranicki und auch Günter Grass gehörten, war ein waschechtes Inselkind und blieb seiner Heimat bis zu seinem Tod 1993 verbunden. Ja, so ist das. Wer sie einmal in sein Herz geschlossen hat, diese schönen Villen, die ihre Gesichter trotzig dem Meer entgegenstrecken, wird ihren Liebreiz immer in sich tragen. BANSIN Seeheilbad Bergstarße ©Roy von Elbberg, Umkleidewagen ©Olaf Kowitz, Villen in Bansin ©Roy von Elbberg
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