Bäderarchitektur Blätterkatalog 2015
Bäderarchitektur 5 Sie wirken wie Zuckerwerk mit ihren Säulen, Erkern, Türmchen und Balustraden, ihren filigranen Stuckelementen und Schnörkeln: Die Villen der „3 Kaiserbäder“ Ahlbeck, Heringsdorf, Bansin und die des Ostseebades Zinnowitz. Sie zeigen den Schick und den Modegeschmack der Berliner Schickeria des ausgehenden 19. Jahrhun- derts, sind verwirklichte Träume aus Holz und Stein. Denn Ende des 19. Jahrhunderts war es nicht nur angesagt, sondern fast ein Muss eine herrschaftliche Villa in einem der mondänen See- bäder auf Usedom zu besitzen. Hier verbrachte man die schönste Zeit des Jahres als Sommer- frische. „Sehen und gesehen werden“ war das Motto. Und zeigen, was der Geldbeutel hergab. Nicht nur in Sachen Mode wurde deshalb von den Reichen und Schönen des Berliner Geldadels alles aufgebracht, was die Schneider der damaligen Zeit an erlauchten Kleidern kreierten. Auch beim Prunk des eigenen Sommer-Domizils wurde nicht gekleckert, sondern richtig geklotzt. Je schicker und prunkvoller, umso besser. Geld spielte keine Rolle. Und Bauvorgaben waren ein Graus. Ein jeder ließ sein Anwesen so gestalten, wie es ihm gefiel. Der eine liebte Holzornamente, der andere protzte mit antiken Säulen und Giebeln. Auch Türmchen oder Erker, wie bei einer mittelalter- lichen Burg, sind an vielen Häusern zu finden. Und so gibt es heute auch keinen homogenen Bäderarchitekturstil. Die herrschaftlichen Häuser erinnern einmal an einen italienischen Renais- sancepalast, ein andermal an eine klassizistische Kaufmannsvilla, mal an ein mit hölzernen Balkonen versehenes Schwarzwaldhaus oder an ein schiffs- ähnliches Nordlandhaus nach der Tradition der skandinavischen Stabkirchen. Aber es ist genau diese Vielfalt, die die Besonderheit und den Reiz der Bäderarchitektur auf Usedom ausmacht. Aber auch wenn es keinen einheitlichen Baustil gab, fallen einige Gestaltungselemente an den Häu- sern und Villen immer wieder ins Auge. • Große antike Säulen vor Portalen, die die Vorderfronten vertikal gliedern • Reich verzierte Dreiecksgiebel nach Art antiker Tempel • Kapitelle mit fantasievollen Schmuck- elementen • Breite Freitreppen, die aus parkähnlichen Anlagen zum Haus hinaufführen • Große Loggien oder zur Straße hin offene Räume, die durch Säulen oder Pfeiler gegliedert werden • Auffällige Erker oder Schmucktürmchen • Hölzerne Veranden oder mit vielen Holz- ornamenten versehene Balkone BAUSTIL Bergstraße und Hotel Kaiser Wilhelm in Bansin | Strandhotel in Heringsdorf ©Roy von Elbberg
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