Gastgeberkatalog Usedom 2019

TRADITION UND GESCHICHTE | 17 Im 7. Jahrhundert besiedelten die Slawen die Insel. Noch heute erinnert der Name Usedom, der sich aus dem slawischen Wort für Mündung, „uznam“, ableitet, an die Zeit der Slawen. Zeug- nisse aus dieser Epoche sind auch die Endungen vieler Orts- namen von Usedom wie -ow, -in oder -itz. In ihrer wechsel- vollen Geschichte stand die Insel Usedom in späteren Jahrhun- derten nacheinander unter pommerscher, schwedischer und preußischer Herrschaft. Bereits im frühen 19. Jahrhundert kamen die ersten Badegäste auf die Insel. Vor allem der Adel und das finanzkräftige Groß- bürgertum verbrachten die „Sommerfrische“ an der Ostsee. Spätestens seit 1876, als erstmals die Eisenbahn zwischen der Hauptstadt und Swinemünde fuhr, entwickelte sich Usedom zur „Badewanne der Berliner“. Von den Gründerjahren bis in die 1920er Jahre bauten wohlhabende Bauherren ihre schmucken Sommerresidenzen direkt an den Promenaden. Dabei ließen sie sich von italienischen Renaissance-Palästen, klassizistischen Kaufmannsvillen oder idyllischen Schwarzwaldhäusern inspirie- ren. So verwandelten sich die Fischerdörfer mit der Entwicklung des Tourismus‘ allmählich zu eleganten Seebädern. Noch heute beeindrucken die Kaiserbäder Ahlbeck · Heringsdorf · Bansin und das Ostseebad Zinnowitz mit einer einzigartigen Fülle und Vielfalt an prachtvoller Bäderarchitektur. Eine herrschaftlicher und prunkvoller als die andere verleihen die imposanten Villen den Seebädern ein mondänes Flair. Ein bemerkenswertes Baudenkmal aus DDR-Zeiten ist der Kunstpavillon in Heringsdorf. Entworfen hat ihn der für seine futuristischen Betonschalenbauten bekannte Rügener Bauinge- nieur Ulrich Müther. Als Prototyp eines Ausstellungspavillons konzipiert, steht er heute unter Denkmalschutz und wird für Kunstausstellungen, Konzerte und Lesungen genutzt. Die sehr unterschiedlichen Kirchen auf Usedom zeugen von acht Jahrhunderten Christentum. 1128 ließ der erste Herzog von Pommern, Wartislaw I, die slawische Bevölkerung von Bischof Otto von Bamberg zum Christentum bekehren. An die Chris- tianisierung Usedoms erinnert noch heute ein Kreuz auf dem Schlossberg der Stadt Usedom. Ältestes urkundlich erwähntes Gotteshaus der Insel ist die Sankt Johannes-Kirche in Liepe. Mit dem barocken Kanzelaltar, den Fresken aus dem Mittelalter und dem romantischen Kirchhof ist sie besonders sehenswert. Die über 750 Jahre alte Feldsteinkirche in Koserow ist eng ver- knüpft mit dem Roman „Die Bernsteinhexe“, den der Kosero- wer Pfarrer Wilhelm Meinhold im Jahr 1843 veröffentlichte. Der Legende nach soll Pfarrerstochter Maria Schweidler im Streckels- berg eine Bernsteinader gefunden und mit dem Erlös die Hun- gersnot der Koserower Bevölkerung gelindert haben. Wegen ihres mysteriösen Reichtums wurde sie von einem verschmähten Verehrer der Hexerei bezichtigt. Erst in letzter Sekunde rettete sie Graf Rüdiger von Nienkerken vor dem Scheiterhaufen. Vor der Küste von Koserow soll auch die versunkene Stadt Vineta gelegen haben. Der Sage nach ist sie in einer Sturmflut als Strafe für den moralischen Verfall, den Hochmut und die Verschwen- dungssucht der Bewohner untergegangen. Reetgedeckte Häuser finden Sie in den kleineren Küstenorten und ehemaligen Fischerdörfern sowie im Hinterland der Insel. Mit ihren rohrgedeckten Dächern geben sie vor allem den idyllischen Orten im Achterland, etwa im Lieper Winkel, ihren unverwechselbaren Charme. So bleibt auch die Reetdachdecke- rei als eines der ältesten Gewerke in der Gegend lebendig. Liebevoll gestaltete Heimatmuseen geben Einblick in die Lebens- und Arbeitswelt der Insulaner, als die Insel noch von Fischerei und Landwirtschaft geprägt war. Zu den regionaltypischen Traditionen gehören die Freester Fischerteppiche. In den 1920er Jahren aus der Not der Fischer heraus entstanden, waren sie in Schonzeiten oder im Winter eine zusätzliche Einnahmequelle. Originale Fischerteppiche können Sie in der Heimatstube Freest oder im stadtgeschicht- lichen Museum „Kaffeemühle“ in Wolgast besichtigen. Zeesenboote gehören von jeher zum Bild der vorpommerschen Boddenlandschaft. Caspar David Friedrich und Lyonel Feininger verewigten die typischen Arbeitssegler der Küstenfischer in ihren Gemälden. Bis in die 1950er Jahre prägten die rostroten Segel der Fischerboote die flachen pommerschen Küstenge- wässer. Auf Usedom können Sie in den Sommermonaten mit dem traditionellen Zeesenboot „Romantik“ Segeltörns auf das Achterwasser genießen. Der fast 100-jährige Zweimaster wurde liebevoll restauriert und macht Tradition erlebbar. Die Insel Usedom faszinierte nicht nur wohlhabende Groß- städter, sondern inspirierte auch Maler, Musiker, Komponisten, Dichter und Schriftsteller. „Ich befinde mich inmitten der Motive, die ich mag und die mich inspirieren“, schrieb der berühmte deutsch-amerikanische Maler Lyonel Feininger vor mehr als 100 Jahren über seinen Usedom-Aufenthalt. Zwischen 1908 und 1912 kehrte Feininger immer wieder auf die Insel zurück und entdeckte Usedom mit dem Rad. Dabei entstand eine Fülle von „Naturnotizen“ – kleine, wie flüchtig dahin geworfene Zeichnun- gen, die später als Grundlage für seine Arbeit im Atelier dienten. Heute hängen diese Motive in den großen Museen der Welt. Zwei seiner Lieblingsmotive, die Benzer Kirche und die Hollän- der Windmühle, kann man in dem idyllischen Ort im Usedomer

RkJQdWJsaXNoZXIy ODMyOTE=