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„Ich bin dann mal weg. Aber

nein, zunächst mal bin ich auf

dem Weg. Genau genommen

auf der Via Baltica. Zu ihr

gehört der Usedomer Jakobs-

weg. Ja, den gibt es tatsächlich.

Und er führt entlang des

Stettiner Haffs über die

Zecheriner Brücke aufs

Festland bis nach Münster und

weiter bis hinunter in das

spanische Santiago de Compo-

stela. Dem Ort, zu dem sich

derzeit ganze Heerscharen von

Pilgern auf den Weg machen,

um ganz nebenbei auch sich

selbst zu finden. Das habe ich

schon und darum reicht mir

der Usedomer Teil des Weges

vollkommen aus. Wer ich bin?

Ich bin Jana. Herzblut-Erzge-

birglerin, Wahl-Insulanerin und

leidenschaftliche Vielwanderin.

Ich starte in Zirchow, direkt an

der Kirche, wo auf einem

Laternenpfahl das Zeichen der

Jakobs-Pilger zu finden ist – die

Muschel auf blauem Hinter-

grund. Auf geht’s also durch stille Felder. Herrliches

Sonnenscheinwetter über mir. Rein in den Wald bis zur

ersten T-Kreuzung. Aha! Logischerweise finden sich im

Wald keine Muscheln. Weder an Laternenpfählen, die es

im Wald sowieso nicht gibt, noch an Baumstämmen. Aber

wer lesen kann, ist auch hier

klar im Vorteil. Hatte ich

doch vor Urzeiten bei meiner

Lektüre über den Jakobsweg

erfahren können, dass es ein

zweites Zeichen gibt – den

gelben Pfeil. Also halte ich

Ausschau nach einem

solchen. Und ich erspähe

tatsächlich an einem dünnen

Birkenstämmchen ein gelbes

Gekrakel, was ich nach

reiflicher Überlegung als Pfeil

deute.

Weiter geht´s. Rechts runter

über ein mit ostalgisch

anmutenden Betonplatten

belegtes Sträßlein. Mehr Weg

denn Straße. Um mich

herum: Natur pur! Der

hektische Alltagstrubel

verliert sich hinter mir im

Gänsegeschnatter links und

Schafeblöken rechts. Gerade

denke ich: „Nee, wat is dat

schön“, und schon donnert

Gottvaters allmächtiger Zorn

über meinen Kopf. Der Pilger

von einst sank dabei auf die Knie und senkte ehrfürchtig

den Blick. Der Wanderer von heute schaut genervt nach

oben. Düsenjet. Willkommen am Flughafen Heringsdorf.

Neben kreisenden Adlern begrüßen mich hier so manch

moderne Vögel mit Stummelflügeln aus Metall.

„Ich bin dann mal pilgern“

Die Via Baltica –

Auf dem Jakobsweg von Zirchow nach Zecherin

Dies ist die Geschichte von Jana Bastin

und ihremWeg auf der Insel Usedom.

Die bewegungsfreudigeWahl-Insulanerin

erzählt von ihren Erlebnissen und Ein-

drücken, Selbstreflexionen und Er-

fahrungen, die sie auf dem Usedomer

Jakobsweg gemacht hat – einem kleinen

Teil der „Via Baltica“, des Baltisch-West-

fälischen Jakobsweges von Swinemünde

nach Münster.

Inspiriert von den erlebnisreichen Schilderungen der Autorin machte sich auch unser Fotografenteam auf denWeg,

um die Via Baltica zu erkunden.

26 | Usedom Magazin

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