Background Image
Previous Page  94-95 / 104 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 94-95 / 104 Next Page
Page Background

A

n der Seebrücke von Ahlbeck hat das tagelange

Zusammenspiel von spritzendem Ostseewas-

ser und zweistelligen Minusgraden eine bizarre

Traumlandschaft aus

erstarrtenWellen

geformt.Wie der

gläserne Palast der Schneekönigin mutet

dieses glitzerndeWunderwerk der Natur

an. Kunstvolle Skulpturen aus Eis präsen-

tieren sich in der Wintersonne nicht nur

als vergängliche Kunstwerke auf Zeit, son-

dern auch als Faszination von Meer und

Eis.Vor dem Strand von Heringsdorf trei-

ben Eisschollen auf der Ostsee. Das gibt

es auf Deutschlands zweitgrößter Insel

nicht in jedemWinter zu sehen, denn be-

vor das blaue Binnenmeer zufriert, bedarf

es schon zweistelliger Minusgrade, die

über mehrereWochen vorherrschend

sein müssen. Ein kleiner Wall aus Schnee

und Eis säumt das Ufer. Ein eisiger Hauch

weht von Nordosten über die Pommer-

sche Bucht.Trotzdem sind Spaziergänger

undWanderer am Strand unterwegs, um

die winterliche Natur und die weißen

Landschaften am Meer zu erleben.

Ein paar Kilometer weiter hängen mäch-

tige Eiszapfen an der Seebrücke von Ko-

serow. Eine Urlauberin steht am vereisten

Ufer – umringt von einer Schar hungriger

Lachmöwen. Die weißen Segler imWind

freuen sich jetzt, in der kältesten Zeit des

Jahres, über Futtergaben aus der Hand des Menschen. Die flinken

und eleganten Möwen, die ihr schokoladenbraunes Sommergesicht

gegen das graueWinterantlitz getauscht haben, erinnern sich gern

an die schönen Sommermonate, in denen

sie zwischen Strandkorb und Strandmu-

schel auf Brötchenreste und Eiswaffeln

gestoßen sind. Die Möwen flattern im

Wind, vollführen geschickte Flugmanöver

und fangen die heransausenden Futter-

brocken geschickt auf.

Noch ein paar Kilometer weiter betritt

der Inselgast das stille Land abseits der

Kaiserbäder – den Lieper Winkel. Auf der

völlig flachen, abgelegenen Halbinsel wird

man wenig Spektakuläres finden – dafür

aber sehr viel Ruhe.Vor Warthe haben

sich hunderte Eisschollen zusammenge-

schoben. Meterhoch ragen die eisigen

Gebilde auf. Bis hinauf aufs flache Peene-

ufer haben sich die Eisschollen gescho-

ben, kamen nur einen halben Meter vor

vier kleinen Schwarzerlen inWassernähe

zum Stillstand. Hätte sich die tonneschwere

Last noch weiter vorangeschoben, hätten

die scharfen Kanten der Eisschollen die

kleinen Bäume umgeknickt wie Streich-

hölzer. So blieben jene Bäumchen

verschont, auf denen im Sommer der

mächtige Seeadler seinen Ruheplatz

findet und das Treiben auf der Peene

beobachtet.Vom Fischerplatz inWarthe,

der sich in den vergangenen Jahrzehnten

zu einem kleinen Hafen mit einigen 

Winterwunder

WENN DERWINTER USEDOM IN EISIGER UMKLAMMERUNG HÄLT,WIRD JEDER SPAZIERGANG

AUF DER INSEL ZU EINEM ERLEBNIS BESONDERER ART. EIS UND SCHNEEVERLEIHEN DEN LAND-

SCHAFTENAN PEENE, HAFF UND MEER EINEN GANZ EIGENEN, SPEZIELLEN UND FASZINIEREN-

DEN REIZ. DAS ERLEBNISVONWIND,WASSER UNDWELLEN IST SO INTENSIV, SO EINDRINGLICH

WIE NIE ZUVOR.

Text

und

Gedicht

Rico Nestmann

93 | ENTDECKEN

USEDOM IMWINTER

Das Zusammenspiel vonWind,Wasser und Frost sorgt an vielen Uferbereichen

der Ostseeinsel Usedom für bizarre Eisgebilde.

Gedicht

Wintertag am Meer

Eiswind streichelt flaches Land,

treibt dieWolken über‘n Sand,

lässt das Meer wie wild erbeben

und dieWellen landwärts streben.

Flockenwirbel in der Nacht,

hat die Landschaft weiß gemacht.

Eiskristalle können blitzen,

durch der Sonne Lichterspitzen.

Wohin Einsamkeit entführt,

bleibt Natur fast unberührt.

Ganz allein kann man oft lauschen,

lieblich schönemWellenrauschen.

Wer am Meer alleine geht,

fühlt vomWind sich sanft umweht.

Lässt am Strand mit etwas Glück

eine Spur im Sand zurück.

Doch das Meer ganz ungehemmt,

hat den Abdruck fortgeschwemmt.

Diese Spur nicht lange lag,

hielt nur einenWimpernschlag.

In denWeiten der Natur

bleibt der Mensch nur Randfigur.

Stapft alleine durch den Schnee,

winzig klein an weiter See.