

Wenn sie ins Erzählen kommt, halten
ihre Zuhörer gebannt den Atem an.
Zuletzt nahm sie als Sprecherin im
musikalischen Märchen „Peter und der
Wolf“ in der Benzer Kirche Kinder und
Erwachsene mit auf eine Fantasiereise.
Die Berlinerin Julia Richter ist eine der
beliebtesten deutschen Schauspiele-
rinnen. Sie ist bekannt aus Filmen wie
„Sushi in Suhl“, „Der Klügere zieht aus“
oder dem Kurzfilm „Raju“, für den sie
sogar eine Oscar-Nominierung erhielt.
Doch ihre heimlich Liebe gilt der Insel
Usedom. Hier gestaltet sie jedes Jahr
zum Kammermusikfest in der Benzer
Kirche eine musikalische Lesung.
Sie leben in Berlin, arbeiten auf der
ganzenWelt.Was treibt Sie ausge-
rechnet auf die Insel Usedom?
Die Arbeit
(lacht)
. Die Insel hab´
ich als Teenie kennen gelernt. Ich bin
mit einer Freundin im Lieper Winkel
Fahrrad gefahren. Damals war Usedom
noch nicht das Urlaubsziel für mich.
Seit vier Jahren ist das anders. Durch
die Arbeit für das Benzer Kammermu-
sikfest habe ich Usedom kennen und
schätzen gelernt.
Sie wurden für den Kurzfilm „Raju“
sogar für den Oscar nominiert.Von
Hollywood auf die Ostseeinsel Use-
dom.Von der internationalen Kino-
leinwand zum ebenfalls internationa-
len, aber doch weit bescheideneren
Kammermusikfest nach Benz.
Seit vier Jahren kenne ich dieses
Örtchen Benz. Ich gebe zu, am Anfang
war ich skeptisch. Als ich erfuhr, dass
bei diesem Projekt viele fremde Mu-
siker zusammenkommen, zusammen
essen und zusammen leben, habe ich
mich schon gefragt, ob ich das kann.
Aber es zeigt sich jedes Jahr wieder,
dass dies ein besonderer Ort ist. Ich
bin immer wieder überrascht, wie
entspannt man hier mit völlig Fremden
zusammenkommt, sich austauscht,
miteinander arbeitet, glücklich ist und
neue Projekte spinnt.
Wie kann man sich die Arbeit für das
Kammermusikfest vorstellen?
Ich kenne Frank Lässig, den Inten-
danten, und seine Frau gut. Die beiden
hatten irgendwann die Idee, mal mit
einer Schauspielerin zu arbeiten und
haben mich gefragt. Das war reizvoll.
Ich bin durch meineWohnung und
hab´ mir Bücher und Texte angeschaut
und bin irgendwann auf Liv Ullmann
gestoßen. Ihre Texte habe ich schon
vor Jahren verschlungen. Kiai Nara, die
Pianistin des Kammermusikfestes, und
ich haben dann mit einem Ullmann-
Text den ersten gemeinsamen Kam-
mermusikabend mit demTitel „Frauen
am Meer“ gestaltet. Und danach ging’s
weiter.Wir haben „Die kleine Meer-
jungfrau“ aufgeführt sowie das Werk
von Antoine de Saint-Exupéry, „Der
kleine Prinz“ und als letztes „Peter und
der Wolf ” in einer eigenen Benzer Fas-
sung, die an die von Loriot angelehnt
ist. Es gibt so viele großartige Texte.
Aber ich habe das Bedürfnis, jedes Jahr
etwas zu finden, was zur Insel, zum
Meer passt. Ich verbinde mit der Insel
eine Art Melancholie und die Sehn-
sucht nach Freiheit. Zu den Konzerten
kommen viele Familien. Es ist toll, wie
begeistert sie alle sind. Das Kind in sich
nicht zu verlieren und sich immer neu
auf die Suche nach ihm zu machen:
Dafür krame ich gern nach Texten, die
das fördern.
Was ist Usedom für Sie?
Ein Ort der Erholung und Kre-
ativität. Darum hänge ich immer
ein paar Tage an. Die Insel hat eine
unglaubliche Vielfalt und ist dennoch
bescheiden.Von allen Ostseeregionen
wirkt Usedom am ursprünglichsten.
Es ist authentisch. Es gibt viele kleine,
stille Ecken am Achterwasser, die ich in
diesem Sommer entdeckt habe. Und
trotzdem sind da die Glanzpunkte, die
Seebäder. Es gibt so viel, was ich nicht
kenne und in den nächsten Jahren
noch unbedingt entdecken will. Es ist
ein bisschen wie Berlin. Als Berliner
merkt man erst, wenn man mit Berlin-
reisenden spricht, dass man vieles gar
nicht kennt.
Was machen Sie in den freien Tagen?
Ostsee muss natürlich immer sein.
Strand undWellen und Meer. Aber
hier zu arbeiten und in diesem herr-
lichen Pfarrgarten zu leben, ist auch
schon wie Urlaub.
Wo sind Sie besonders gern auf
Usedom?
Momentan ist es genau dieser
Ort Benz, dieser Pfarrgarten. Das ist
Idylle pur. Und dieses Drumherum mit
der Feininger Galerie und den stillen
Winkeln. Der Trubel der Seebäder ist
mir zu viel. Die mag ich in der Vor- und
Nachsaison. An den Strand gehen wir
am liebsten nach Ückeritz. Dort gibt es
eine Imbissbude, die steht, glaube ich,
schon Ewigkeiten.
Sie sitzen in Berlin und denken an
Usedom.Was für eine Farbe hat für
Sie die Insel?
Bei strahlend blauem Himmel mich
das zu fragen, während ich auf einer
Wiese sitze, das ist …
(lacht aus vollem
Herzen)
. Spontan fällt mir Violett oder
Lila ein. Die Insel hat so viele Gesichter.
Da steckt ein bisschen was von dem
Blau und dem Grün eines Sommerta-
ges oder der Ostsee drin. Aber auch
von der Stille.
Ostsee oder Achterwasser?
Ostsee. Definitiv! Allerdings bin ich
eine Frostbeule. Ich brauche lange, bis
ich ins Wasser gehe. Ich liebe es, am
Strand zu sein und genieße die Ostsee
– auch ohne hineinzugehen. Durch
meine Kinder befinde ich mich derzeit
wieder in der Kleckerburgenbauphase.
Sie lesen, schauspielern, führen Regie.
Wie wär‘s mit einem Filmprojekt auf
Usedom?
Ja, Regie zu führen habe ich im Film
„Festes Froh“ mal ausprobiert. Und ich
bin mir sicher, dass ich das ein zweites
Mal ausprobieren werde. Dazu muss
ich allerdings noch Kraft sammeln. Mit
13 Darstellern zu arbeiten plus Kind,
ist fürs erste Mal schon eine Her-
ausforderung. Aber es war eine tolle
Erfahrung. Ein Filmprojekt auf Usedom?
Gern! Es muss ja nicht gleich ein eige-
nes Projekt sein.
Werden Sie beim nächsten Benzer
Kammermusikfest wieder dabei sein?
Da uns die Ideen noch nicht ausge-
hen, glaube und hoffe ich, wieder dabei
zu sein.
Fotos
und
Aufzeichnung
Sandra Grüning
„Ich liebe die stillen Inselecken“
Im Gespräch mit Julia Richter
Seit vier Jahren ist Julia Richter mit Leib und Seele beim Benzer Kammermusikfest dabei. In dem musikalischen Märchen "Peter und der
Wolf" von Sergei Prokofjew schlüpfte sie 2014 stimmlich in die Rollen von Peter und den Tieren und begeisterte mit ihrer Erzählweise.
Sie ist immer wieder fasziniert davon, wie inspirierend die Insel ist.
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