I
m Jahr der Deutschen Revolution wurde in He-
ringsdorf die Kirche auf dem Steinersberg gebaut.
Sie war das erste Gotteshaus, das wegen der zu-
nehmenden Zahl von Sommerfrischlern in einem
der Usedomer Seebäder gebaut wurde. Damals
war das Badewesen noch in den Kinderschuhen. In
Swinemünde wurden 1824 die ersten Feriengäste regis-
triert, in Heringsdorf ein Jahr später. Der Begründer des
Ortes, Oberforstmeister Georg Bernhard von Bülow, ließ
1825 mit dem Weißen Schloss auf dem Kulm das erste
Logierhaus bauen.
Ahlbeck folgte erst 1852 als Badeort. Im Jahr darauf zählte
Heringsdorf mit seinen 138 Einwohnern bereits 400
Gäste, Ahlbeck im Jahr 1858 314 Urlauber. Diesen ersten
Touristen auf der Sonneninsel Usedom standen allerdings
noch keine bequemen Verkehrsmittel zur Verfügung. So
wurde die Eisenbahnstrecke Berlin–Pasewalk–Stralsund
(Nordbahn) mit der Zweigstrecke Züssow–Wolgast im
Herbst 1863 in Betrieb genommen und im Mai 1876
schließlich die Bahnstrecke vom Abzweig Ducherow
(Nordbahn) nach Swinemünde. Die Streckenverlängerung
nach Heringsdorf erfolgte schließlich im Jahr 1894.
Stettiner Reederei fährt zu den
Ostsee-Inseln
Es ist kaum vorstellbar, dass vor 160 Jahren eine Reise
von der Hauptstadt auf die Insel per Postkutsche noch
mehrere Tage dauerte. Erst die Eisenbahn in Kombination
mit der Dampfschifffahrt ermöglichte die Anreise an nur
einem Tag. Grundlage dafür war zum einen die 1843 in
Betrieb genommene Berlin-Stettiner Eisenbahn und zum
anderen die Gründung der Stettiner Dampfschiffs-Gesell-
schaft J. F. Braeunlich im Jahr 1852.
Im selben Jahr nahm die Reederei mit der 35 Meter
langen ‚Dievenow‘, gebaut bei der späteren Vulkan-Werft
in Stettin, den ersten Seitenraddampfer für den Linienver-
kehr zwischen Stettin und Swinemünde in den Dienst. Es
folgten 1857 und 1859 die ähnlich großen Seitenraddamp-
fer ‚Princess Royal Victoria‘ und ‚Misdroy‘.
Damit war die Grundlage für das Badewesen auf den
Inseln Usedom, Wollin und Rügen gelegt. Erst die mo-
dernen Verkehrsmittel rückten Usedom so nah an die
Hauptstadt heran, dass sie in den folgenden Jahren die
‚Badewanne Berlins‘ werden konnte.
Heringsdorf wird zur
‚Actiengesellschaft‘
Darüber hinaus spielte die Gründung der ‚Actienge-
sellschaft Seebad Heringsdorf‘ durch die Brüder Hugo
und Adelbert Delbrück im Jahr 1872 eine große Rolle.
Adelbert Delbrück gilt als der Begründer der Deutschen
Bank AG und war von 1871 bis zu seinem Tod 1890
Vorsitzender des Aufsichtsrates der Deutschen Bank.
Seine Kontakte in die Wirtschaft und Hochfinanz dürften
mit dazu beigetragen haben, dass Heringsdorf mehr und
mehr zu einem noblen Seebad, dem ‚Nizza der Ostsee‘,
avancierte. Die ‚Actiengesellschaft‘ sorgte unter anderem
dafür, dass 1893 die Kaiser-Wilhelm-Seebrücke gebaut
wurde. Zehn Jahre später erhielt sie einen seitlichen
Anleger für die Dampfschiffe der Braeunlich-Reederei, die
Odin-Brücke genannt wurde.
Zuvor mussten die Linien- und Ausflugsschiffe vor der
Küste ankern und die Fahrgäste ausgebootet werden. Die-
se nicht immer ungefährliche Prozedur entfiel nun und das
Reisen wurde angenehmer.
Auch in Ahlbeck und Zinnowitz wurden Anfang des 20.
Jahrhunderts die Seestege verlängert und fortan als Lan-
dungsbrücken für die Dampfschiffe genutzt.
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