

Die
Feininger-Radtour
ENTLANG DER ZWEIGETEILTEN, INSGESAMT 56 KM LANGEN FAHRRADROUTE
ZEIGT DIE OSTSEEINSEL IHRE SCHÖNSTEN SEITEN. DIE SPURENSUCHE
NACH DEN BEKANNTESTEN USEDOM-MOTIVENVON LYONEL FEININGER
FÜHRT DURCH MONDÄNE SEEBÄDER EBENSOWIE VERTRÄUMTE DÖRFER,
EINSAMEWÄLDER UND ZU ALTERTÜMLICHEN KIRCHEN.
Und plötzlich steht der Besucher vor Feiningers Lieblings-
motiv, der St.-Petri-Kirche in Benz. Allein 45 Mal hatte der
deutsch-amerikanische Maler dieses um 1600 erbaute
Gotteshaus gemalt, selbst wenige Monate vor seinemTod
1956, als er schon lange wieder in seiner US-Heimat lebte.
Ob aus der Nähe mit Blick auf den von hohen Kastanien
umgebenen Kirchturm oder weiter weg von der liebevoll
renovierten Holländermühle auf dem Hügel – man ist
versucht, selbst zu Stift und Pinsel zu greifen, um diese
herrliche Szenerie auf Papier zu bannen.
Das Dörfchen Benz ist Teil der 2009 konzipierten Feininger-
Radtour, welche aus zwei unterschiedlich langen Routen
besteht und dank der markanten blauweißen Hinweisschilder
sehr einfach nachzuvollziehen ist. Die kürzere, etwa 15 km
lange Route, verläuft vom Seebad Bansin in Richtung Süden
über Sallenthin nach Benz, wo einige seiner Bilder und Skizzen
im Kunstkabinett Usedom bestaunt werden können.Weiter
geht es nach Neppermin am Balmer See, das der berühm-
te Bauhaus-Lehrer für seinen dreiwöchigen Aufenthalt im
September 1910 als Standort auswählte. Offensichtlich war
er schnell vom ländlichen Charme des Dorfes einge-
nommen. In seinem amerikanischen Humor liebevoll in
„Peppermint “ (Pfefferminze) und „Nevermind“ („macht
nichts“) umgetauft, inspirierte ihn Neppermin mit seinen
alten Scheunen, verfallenen Mühlen und holprigen Dorf-
wegen zu eindrucksvollenWerken. Auch wenn die meisten
der Motive verschwunden sind, strahlt der Ort auch heute
noch eine entspannte Atmosphäre aus. Holzboote gleiten
am Schilf bewachsenen Ufer entlang, während der Blick
weit über das offene Gewässer schweift und der Besucher
im Sommer gar den Sprung ins kühle Nass wagen kann.
Sicherlich fände hier auch heute „Papileo“, wie ihn seine
Familie gerne nannte, noch zahlreiche Motive.
Es geht nun entlang des Ufers nach Balm und von dort
durch einWaldstück mit Resten einer slawischenWallanlage
nach Mellenthin. Dessen berühmtes Wasserschloss aus
dem 17. Jhd. hatte der Maler ebenso auf Papier gebannt
wie den wuchtigen Turm der Backsteinkirche. Überhaupt
hatten es die urigen Gotteshäuser im Inneren der Ostsee-
insel dem feingeistigen Feininger angetan. Auf den etwa
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1. BronzeneWegplatten
kennzeichnen die Original-
standorte des Künstlers
und ermöglichen den
Besuchern, die Umgebung
aus seiner Perspektive zu
betrachten.
2. Das Fahrrad des
Künstlers Lyonel Feininger:
Ein Cleveland Ohio aus
dem Jahre 1897.
3. + 4. Die im 15. Jahr-
hundert entstandene
Kirche von Benz inspirierte
Feininger zu unzähligen,
beeindruckendenWerken.
5. Im Usedomer Hinter-
land: Die Holländerwind-
mühle in Benz.
Radfahren
Spez i al
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Radfahren
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Radfahren
»Ich bin inmitten
der Motive, die
ich mag und die
mich inspirieren«
Lyonel Feiniger