

„Standing Ovations“ hallen durch denTurbinensaal im Kraftwerk
des Museums Peenemünde. Gut Tausend Musikfreunde haben
zuvor ein atemberaubendes Konzert für Oboe und Orchester von
Wolfgang Amadeus Mozart gehört. Unter der Leitung von Neeme
Järvi spielte das NDR-Sinfonieorchester und an der Oboe glänzte
der hervorragende Solist Kalev Kuljus. Dies war der hochkarätige
Abschluss des Usedomer Musikfestivals 2013, das mit dem kleinen
baltischen Staat Estland einen musikalischen Riesen zu Gast hatte.
Seit zwei Jahrzehnten bereichert das Usedomer Musikfestival nun
schon denVeranstaltungskalender der Insel Usedom.Was heute
über die Landesgrenzen hinweg das kulturelle Aushängeschild der
Insel ist, hat wie so vieles klein angefangen. Klein, aber schon sofort
mit einem Paukenschlag.
1994 war es, als der Heringsdorfer Hotelier Dr.Werner Molik und
der heutige Intendant Thomas Hummel die eigentlich verrückte
Idee hatten, keinen Geringeren als den Kapellmeister des Gewand-
hausorchesters Leipzig zu bitten, die Schirmherrschaft für das Festi-
val zu übernehmen. Kurt Masur tat es und begleitete seine Frau, die
SopranistinTomoko Masur, auf die Insel. „Das erste Konzert war auf
der Seebrücke in Ahlbeck mit Tomoko Masur“, erinnert sich Rainer
Schweitzer vom Förderverein Usedomer Musikfreunde e.V. zurück.
Der Berliner Rechtsanwalt und seine Frau Ilse sind von Anfang an
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Usedomer Musikfestival
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Usedomer Musikfestival
Usedomer Musikfestival
Das kulturelle
Aushängeschild der Insel
dabei und zwar „seit 1994 regelmäßig für
das gesamte Festival“, so der 69-Jährige.
„Es ist faszinierend, dass sich das Festival
zwanzig Jahre später auf so einem hohen
Niveau etabliert hat“, schwärmt Ilse
Schweitzer.
Bis zum Jubiläumsjahr 2013 gab es etliche
wichtigeWegmarken. „1995 waren wir
zum ersten Mal in Swinemünde. Dort gab
es ein Konzert in der Christuskirche. Seit-
dem gibt es regelmäßig Konzerte in Polen“,
weiß der Berliner Jurist. Entscheidend für
die positive Entwicklung war aus seiner
Sicht, dass die Festivaldauer verlängert
wurde und Rahmenveranstaltungen mit
Vorträgen, Inselrundfahrten,Workshops
und Ausstellungen das Angebot vielfältiger
machen.
Auch dass der Fokus auf die Jugend ge-
richtet ist, gefällt demWahl-Heringsdorfer.
„Das ist Thomas Hummel zu verdanken.
Er hat selbst vier Kinder und er weiß, dass
man Kinder an die Musik heranführen
muss“, lobt Schweitzer den in Hamburg
lebenden Festivalchef.
Das Usedomer Musikfestival zeichnet aus,
dass es von Anfang an jungenTalenten
eine Bühne bot. So begann schon 1994
die Kooperation mit dem renommierten
NachwuchswettbewerbYoung Concert
Artists NewYork. Alljährlich musizieren
seit 1995 die Gewinner der Finalrunden
von Leipzig und NewYork auf Usedom. Dauerte das Festival in den
ersten vier Jahren nur jeweils acht Tage, wurde es ab 1998 auf zwei
Wochen ausgedehnt. Seit 2006 wiederum dürfen sich die Musik-
freunde über drei Festivalwochen freuen.
Erstmals war es dann 1999, dass das Usedomer Musikfestival ein
Gastland präsentierte. Estland stellte sich sowohl musikalisch als
auch touristisch und kulinarisch vor. Mittlerweile ist das Musikfes-
tival, das sich programmatisch dem Ostseeraum verschrieben hat,
einmal um das baltische Meer herum. Dabei hat es Jahr für Jahr
die geografischen, historischen und kulturellen Grenzen mühelos
überwunden und die Menschen über Länder und Generationen
hinweg verbunden.
Ein wahrer Meilenstein für den heutigen Stellenwert des Usedomer
Musikfestivals war 2002 der Beginn der Peenemünder Konzerte.
Unter Leitung von Mstislaw Rostropowitsch wurde Benjamin Brittens
„War Requiem“ aufgeführt. Zu den Ehrengästen des Konzertes
zählten der damalige Bundespräsident Johannes Rau und der ehe-
malige sowjetische Staatspräsident Michail Gorbatschow.
Seither bilden die Peenemünder Konzerte den Auftakt und den
Abschluss des Usedomer Musikfestivals. Große Dirigenten trugen
sich in die Gästeliste der Turbinenhalle
des Kraftwerks Peenemünde ein. Krzystof
Penderecki, Christoph von Dohnanyi, Esa-
Pekka Salonen, Kurt Masur sowie Neeme,
Paavo und Kristjan Järvi (2013) hießen
einige der bisherigen Gastdirigenten.
Doch das Usedomer Musikfestival lässt
sich nicht nur über die großen Konzerte in
Peenemünde mit bis zu 1.000 Besuchern
definieren.Vielmehr ist es ein Kammer-
konzertfestival, das alte Dorfkirchen,
Schlösser, Galerien und Hotels zum
Klingen bringt.
Ein Beispiel dafür ist das Ostsee-Musik-
forum auf Schloss Stolpe, das 2005 ins
Leben gerufen wurde. Dort bietet der
international angesehene Cellist David
Geringas im Rahmen des Usedomer
Musikfestivals einen Meisterkurs für mu-
sikalisch hochbegabte Studentinnen und
Studenten an.
Im Jahr 2008 erlebte Usedom schließlich
die Geburt des Orchesters BalticYouth
Philharmonic. „A new voice in the North“
lautet das Motto des jungen Sinfonieor-
chesters, das rund hundert talentierte
Musikerinnen und Musiker zwischen 18
und 30 Jahren aus Musikhochschulen rund
um die Ostsee zu einem Klangkörper
vereint. Chefdirigent und künstlerischer
Leiter ist der Este Kristjan Järvi.
Dank der Achterkerke-Stiftung und der Stiftung der Sparkasse
Vorpommern hat das Usedomer Musikfestival 2010 quasi ein Kind
bekommen – mit dem Jungen Usedomer Musikfestival. In dessen
Rahmen gehen internationale Künstler in Schulen und Kindergär-
ten, um Erfahrungen weiterzugeben und Kinder für die Musik zu
begeistern. Zudem erhalten die Preisträger des Landeswettbewerbs
„Jugend musiziert“ beim Musikfestival die Gelegenheit, ihr Können
zu präsentieren.Vielleicht werden wir ja einige von ihnen in ein paar
Jahren beim großen Usedomer Musikfestival im Kraftwerk Peene-
münde auf der Bühne wiedersehen.
Oben: Die Musikerinnen des BalticYouth Philharmonic
entfalten neue musikalische Energien am Ostseestrand.
Mitte: Der estnische Maestro Neeme Järvi (rechts) beschließt
gemeinsam mit dem Oboisten Kalev Kuljus die 20. Saison im
Kraftwerk Peenemünde.
Unten: Die Preisträger des Usedomer Musikfestivals, das
Ensemble Berlin Counterpoint, begeistern im polnischen
Świnoujście das deutsch-polnische Publikum.
Die Sopranistin Anush Hovhannisyan stimmt im Sommerkonzert auf die große Jubiläumssaison des Usedomer Musikfestivals ein.
Info:
Das nächste Usedomer Musikfestival mit dem Länderschwer-
punkt Polen wird vom
20.09. – 11.10.2014
stattfinden.
Weitere Informationen zur Veranstaltung unter:
www.usedomer-musikfestival.deTickethotline: +49 (0)38378 34647
Text
Dietmar Pühler
Fotos
Geert Maciejewski und Peter Adamik
Fotos Seite 50 & 51: Geert Maciejewski (3), Peter Adamik