

Dichtkunst vor maritimer Kulisse
Die Usedomer Literaturtage
Die Liste ist lang:Theodor Fontane, Carola
Stern, HansWerner Richter und die Brüder
Thomas und Heinrich Mann hinterließen auf
Usedom ihre Spuren. Die Usedomer Literatur-
tage nehmen diesen Faden auf und engagieren
sich seit sechs Jahren für einen nachhaltigen
Dreiklang aus Kultur, Geschichte undVerant-
wortung auf der im Herzen Europas gelegenen
Sonneninsel.
Text
Uwe Roßner
Fotos
Geert Maciejewski
Literatur war immer ein Teil des Usedomer Musikfestivals.
Der Kritiker Joachim Kaiser und der Pianist Alfred Brendel
folgten beispielsweise dessen Einladung. Dennoch erwuchs
vor über sechs Jahren folgende Entscheidung: „Wir wollten
das trennen und lieber ein eigenes Literaturfestival im Früh-
ling veranstalten“, erzählt der Intendant Thomas Hummel.
Entsprechend weitreichende Kontakte waren vorhanden.
Thomas Schulz und das Deutsche Kulturforum östliches
Europa teilten die Bestrebung, über Literatur den euro-
päischen Dialog zu fördern und ein gewichtiges Zeichen
für Gerechtigkeit undVerständigung zu setzen. So standen
bereits die vielfältigen Beziehungen in der Grenzlandschaft
zwischen Tschechien, Polen und Deutschland sowie die
multikulturelle Geschichte Rumäniens, die Regionen Sieben-
bürgen, Banat und Bukowina, aber auch Facetten von Flucht
und Vertreibung im 20. Jahrhundert sowie der innerdeut-
sche literarische Austausch seit 1945 im Fokus.
Botschafter und junge Talente
Moderierte Lesungen, zweisprachige Podien, Stars der Szene
wie MartinWalser oder Friedrich Dieckmann, Fingerzeige auf
aufstrebende Namen und die mit Hellmuth Karasek besetzte
Jury des mit 5.000 Euro dotierten Usedomer Literaturpreises
zeichnen dieses Festival der Zweiländerinsel aus.
Autoren, ihren Büchern und den Lesern bieten die Usedo-
mer Literaturtage damit einen vielversprechenden Schau-
platz jenseits der bloßen betrieblichen Selbstbespiegelung.
Ungeachtet aller bisherigen Besucherrekorde bleibt Thomas
Hummel bescheiden: „Wir sind am Anfang und haben viele
Ideen.“ Dazu gehören die Jungen Usedomer Literaturtage
mit ihrer Ausrichtung auf Schüler und Jugendliche oder eine
aufkeimende Tradition rund um die Preisträger. Letztere
verstehen sich bereits jetzt als Botschafter Usedoms und
des Festivals. Denkbar wäre auch der Ansatz, den Geist der
Gruppe 47 hier im Nordosten wieder aufleben zu lassen.
Deren Spiritus Rector, Hans Werner Richter, stammte aus
Bansin und blieb seinem Heimatort und den dort lebenden
Familienmitgliedern zeitlebens verbunden. „Das könnte eine
von vielen möglichen Entwicklungen in der Zukunft sein“, so
Thomas Hummel.
Ein Platz an der Sonne und am
Schreibtisch
Preisträger wie die tschechische Autorin und Übersetzerin
Radka Denemarkova, ihre polnische Kollegin Olga Tokar-
czuk, der von Günter Grass geschätzte Jan Koneffke sowie
der Preisträger aus dem Jahr 2014, Jaroslav Rudiš, werben
bereits im Ausland und bei den Buchmessen in Leipzig und
Frankfurt am Main für die Usedomer Literaturtage. Erst im
Laufe der Jahre könne sich eine bundesweite Breitenwir-
kung entfalten, findet Thomas Hummel und bringt den 2011
erstmals verliehenen Usedomer Literaturpreis wieder ins
Spiel. Mit dessen Erhalt ist auch ein einmonatiger Arbeits-
aufenthalt auf Usedom für den Gewinner verbunden. Im
Februar 2014 trat Jan Koneffke ihn an. „Ein Sonntagskind“
soll sein nächster Roman heißen und 2015 zum 70. Jubiläum
des Endes des ZweitenWeltkriegs erscheinen. „Es ist wie
nach Hause kommen. Ich fühle mich hier heimisch. Meine
Familie väterlicherseits stammt aus Pommern. 2009 und
2011 war ich bereits auf der Insel. Immer rund um das
Hans Werner Richter-Haus in Bansin“, schildert er seine
Verbundenheit mit Usedom. „Die Bemühungen Usedoms
als anerkannte Literaturinsel sind vorbildlich. Hier vor Ort
gibt es den Traditionspunkt Hans Werner Richter“, meint
der in Berlin lebende Schriftsteller und Publizist Friedrich
Dieckmann. „Die Usedomer Literaturtage sind wundervoll.
Ich wünsche ihnen alles Gute“, findet die Schriftstellerin und
Fernsehmoderatorin Thea Dorn. Und MartinWalser betont:
„Bei diesem schwierigen Projekt wünsche ich Thomas Hum-
mel viel Erfolg“.
Die 7. Usedomer Literaturtage
finden vom 22. bis 26.April 2015 statt. Neben Hellmuth Karasek und
Thea Dorn werden auch in diesem Jahr weitere hochkarätige Gäste wie
Hans-Magnus Enzensberger und Rüdiger Safranski teilnehmen.
Weitere Informationen unter:
www.usedomerliteraturtage.deOben: Wortakrobatik und Geistesblitze mit Schriftsteller MartinWalser (li.)
und Moderator Manfred Osten.
Links: Der Preisträger 2014, Jaroslav Rudiš (li.), mit Intendant
Thomas Hummel
Rechts: Die Schriftstellerin und Moderatorin Thea Dorn in Gedanken
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