

Mit „Mein Usedom“ legt
Uwe Kolbe sein zweites
Buch in diesem Jahr vor.
Es ist eine Liebeserklä-
rung an Usedom und ein
Abschied vonVineta.
Das Meer lockt. Es ist die Ost-
see. Zu ihr zieht es den Jugend-
lichen aus Berlin eines Nachts
hin. Am Strand von Trassenheide
ist die See gefroren, liegt wie
eine erstarrte, perfekt aufge-
türmte Schichtung vor den Au-
gen ausgebreitet. Den Rand des
Eises erreicht der Vierzehnjährige
nicht. Auf demWeg dorthin bricht er knietief ein.
Was ihm davon bleibt, ist das pure Gefühl des Da-
seins und eines seiner ersten niedergeschriebenen
Gedichte. Das sind die Früchte des Schulausflugs.
Das ist ein Stück literarisierter Biographie, die Uwe
Kolbe in sein Buch „Mein Usedom“ einfließen lässt.
Der aus Ostberlin stammende und heute in
Hamburg lebende Autor ist immer wieder auf die
Zweiländerinsel zurückgekehrt. Nahe lag es, den
heute 57-Jährigen mit diesem Projekt zu betrau-
en. 2011 kam der Vertrag mit dem Hamburger
mareverlag zustande. „Usedom war und ist für
mich nie nur eine Urlaubsinsel“, erzählt Kolbe.
Einer von mehreren Gründen dafür ist die hiesige
starke Verdichtung von Zeitgeschichte. „Die Insel
ist einer der bekanntesten Orte des 20. Jahrhun-
derts“, bemerkt der Schriftsteller und verweist auf
den streitbaren Ingenieur Wernher von Braun, die
Künstler Lyonel Feininger und Otto Niemeyer-
Holstein sowie die Autoren Hans Werner Richter
undVictor Klemperer. Diese gehören seinem ge-
wichtigen Figurenpersonal an und setzen mit ihrem
einstigenWirken innerhalb seiner Inselmeditation
Akzente. Er formt diese aus einem eigensinnigen
Gemisch aus Erinnerungsprosa, erfundenen Kon-
stellationen und Spuren eines
Essays. Das alles ist weit mehr
Material und formale Gestaltung
als für schnöde Touristenführer
nötig. Kolbes Usedom schließt
die jahrzehntelange Auseinan-
dersetzung mit Vineta mit ein.
Hinter dieser setzt der weithin
als Lyriker bekannte Autor jetzt
einen Punkt. „Damit habe ich
mir ein Versprechen eingelöst:
Ich brauche und werde nie
wieder über Vineta schreiben
müssen“, lautet dies.Vineta:
Das ist die Vinetastraße mit der
U-Bahnstation in Berlin Pankow
aus seiner Schulzeit, das ist die
bruchstückhaft überlieferte Sage
und zugleich ein persönliches Sinnbild.
Im Jahr 1980 machte sich Uwe Kolbe mit der beim
Aufbau Verlag herausgekommenen Gedichtsamm-
lung „Hineingeboren“ als Stimme der jungen Ge-
neration einen Namen. Franz Fühmann begleitete
diese mit einem Nachwort. Eine einstige Professur
am Deutschen Literaturinstitut Leipzig sowie eine
Podiumsdiskussion mit Günter Grass in Korea über
dieWiedervereinigung zeigen exemplarisch, wie
fest sich Uwe Kolbe als deutschsprachiger Autor
etabliert hat.Vineta tauchte in seinen Versen und
Essays immer wieder auf. Nach einem Schreibauf-
enthalt in Pennsylvania erschien vor zwei Jahren
„Vinetas Archive“ mit Aufsätzen und Prosa zur
Sage. Kolbes aktuelle und letzte Bilanz lautet: „Die
Metapher stimmt nicht. Ich habe sie falsch genutzt.
Aus Hybris, Reichtum und der Unfähigkeit mit
Reichtum umgehen zu können, ist Vineta unter-
gegangen.“ Die bisherige Verklärung der Kindheit
und einer einstigen Gegend mit drei Buchstaben
gewinnt damit an Schärfe.
Text
Uwe Roßner
„Ein Jahr auf Usedom“ heißt der außergewöhnli-
che Bildband über die Insel Usedom. Er nimmt mit
auf eine Entdeckungsreise quer über die Insel. Die
sonst üblichen und so oft in Bildern festgehaltenen
Verdächtigen der Bäderarchitektur oder die typi-
sche Postkartenidylle findet der Usedom-Liebhaber
darin jedoch selten. „Ein Jahr auf Usedom“ ist
vielmehr eine Art Tagebuch, das in 126 großartigen
Bildern und zwölf wundervollen Texten durch die
Monate und die Jahreszeiten führt. Der Bildband
zeigt Usedom pur:Tosen und Stille,Vielfalt und eine
Natur, die die Bewohner des Eilandes geprägt hat.
Der Betrachter und Leser ist beim Gang über die
Düne dabei, riecht das Salz, das in die Nase kriecht
und nach Freiheit schmeckt, fühlt die Ungeduld,
die wie Fieber durch die Adern kribbelt und saugt
beim Betrachten der Bilder dieWeite des Meeres
förmlich in sich auf. Dem grandiosen Naturschau-
spiel der Ostsee werden die stillen, die unbekann-
ten Inselecken und die anrührenden Geschichten
einer Frau an die Seite gestellt, die die Insel zum
ersten Mal entdeckt.
Der Herausgeber Hans-Jürgen Merkle fand bei
den Fotografen der Facebook-Gruppe „usedom-
fotos“ die passenden Motive für seine Idee. Über
die Gruppe lernte er Claudia Pautz kennen, die
Texte und Gestaltung übernahm. Ein Fotobuch also,
das komplett auf der Insel produziert wurde: Zehn
Inselfotografen, eine Inselautorin und eine Insel-
druckerei.
Erhältlich ist „Ein Jahr auf Usedom“ in den Insel-
buchläden oder im Internet auf www.ein-jahr-auf-
usedom.de. Ein Euro des Verkaufspreises geht an
den Tierhof in Labömitz.
Text
Sandra Grüning
Fotos
Matthias Gründling und Jan Kubea
Ruhelose Geister
am Ostseestrand
– Bildband –
Ein Jahr auf Usedom
Das 128 Seiten umfassende
Buch
„Mein Usedom“
von Uwe Kolbe ist im Jahr
2014 im mareverlag er-
schienen.
ISBN:
978-3-86648-162-6
Preis:
18,00 €
Herausgeber:
Hans-Jürgen Merkle
Texte &
Gestaltung von:
Claudia Pautz
Fotografien von:
Henry Böhm
Andreas Dumke
Ulrich Faust
Matthias Gründling
Ralf Klinkhammer
Anja Köster
Jan Kubea
Hans-Jürgen Merkle
Claudia Pautz
Robert Vorwieger
Preis:
22,95 €
Der 1957 in Ost-Berlin geborene Schrift-
steller Uwe Kolbe veröffentlichte bereits
mit 19 Jahren erste Gedichte.
Usedom, irgendwann Ende Januar
„… der eisige Nordostwind machte das Atmen schwer und die Kälte schmerzte auf
meiner Haut, als ich den hölzernen Pfad über die Düne ging. Und an seinem Ende
legte sich die Ostsee mit all ihrer Schönheit in meinen Blick. Wie ein riesiges, graues
Eismeer tobte dieWeite und schickte ihre schäumendenWogen unaufhaltsam an den
Strand. Der Schnee stürmte waagerecht über den gefrorenen Sand und das ohren-
betäubende Tosen nahm der Welt jedes Geräusch. Ich musste hinunter, ganz nah ans
Meer. Und es war, als könne ich mich in den Wind legen. Ich sah riesige Wellen auf
mich zurollen und spürte in diesem Moment die ganze Kraft des Meeres. Nie zuvor
habe ich mich so klein und doch so frei gefühlt …“
Vielseitiges
Use
dom
Foto & Grafiken: ©GabyGerster, Shutterstock.com: ©iDesign
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